|| vijñāna bhairava ||

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112 Wege zur Weisheit

Shiva fasst zusammen:

Ich gab Dir nun 112 Wege, die Flut der Gedanken zu dämmen und den Geist zu beruhigen. Das Wissen um diese Wege bringt Weisheit.

Wenn Du auch nur einen dieser Wege beschreitest, gelangst Du zur Einheit mit mir. Und Deine Worte werden Wahrheit, sie bringen Fluch oder Segen.

Durch die Kraft dieser Übungen wirst Du frei von Geburt und Tod. Du wirst geliebt von allen und Herr Deiner Taten.

Du bist befreit selbst im Tun des täglichen Lebens.

Verse 139-141

Seligkeit der Befreiung

Shiva fährt fort:

Die wahre Verehrung ist, den Geist in der großen Leere zu verankern. Das ist Huldigung des befreiten Bewusstseins.

Den Geist während einer der 112 Übungen in Ruhe zu festigen, mit dem täglichen Fortschritt, wird Erfüllung erlangt.

Die letzte Erfüllung und Glückseligkeit, die ewige Heimstatt, folgt der Opferung des Egos.

Die Seligkeit der Befreiung lässt das eigene Selbst − die Essenz des allumfassenden Bewusstseins − erkennen. Das ist wahre Läuterung.

Energie und Bewusstsein − Immanenz und Transzendenz − sind eins. Wo ist Objekt, wo ist Subjekt?

Verse 144-153

Vereinigung

Shakti entgegnet:

Du hast alle meine Zweifel beseitigt.

Dies sagend vereinte sie sich wieder mit ihrem Gemahl im ewig Un-Unterschiedenen.

Verse 161-162

Ausklang

Stimme ein Wort an, das mit AH endet. Dann, im HH, mühelos, die Spontaneität.

Vers 90

Rückzug

Sieh auf einen Gegenstand, dann ziehe langsam Deinen Blick von ihm zurück, dann ziehe langsam Deine Gedanken von ihm zurück. Dann.

Vers 120

Blütenfaden

Lenke Deine ganze Aufmerksamkeit auf den Nerv, der mitten durch Dein Rückgrat geht, fein wie die Blütenfaden des Lotus. Und werde so transformiert.

Vers 35

Aufstieg

Meditiere, dass diese Welt, an die wir glauben, zu Asche verbrennt, während Du zum Sein oberhalb des Menschlichen aufsteigst.

Vers 53

Ohne Stütze

Geh in den Raum ein, ohne Stütze, immerwährend, still.

Befreie Dich von jeder Begrenzung und berühre den Nicht-Raum.

Vers 128

Ohne Fundament

“Ich existiere”.
“Dies ist mein”.
“Dies ist dies”.

Eben in diesem erkenne Grenzenlosigkeit.

Vers 131

Bandha

Wenn Du alle sieben Öffnungen des Kopfes mit Deinen Händen verschließt, wird der Raum zwischen den Augen allumfassend.

Vers 36

Frieden

Wenn der Atem ganz draußen ist, oder ganz drinnen, und von allein stillsteht − in solch einem Moment des Friedens verschwindet das eigene kleine Selbst.

Vers 27

Brunnen

Am Rand eines tiefen Brunnens sieh unentwegt in seine Tiefe, bis − das Erstaunen.

Vers 115

Gewahrsein des Raums

Stelle Dir Dich in Geist gehüllt vor, gleichzeitig drinnen wie draußen, bis sich das gesamte All vergeistigt.

Vers 43

Mitte des Lotus

Wenn alle Sinne im Herzen aufgenommen sind, gehe in die Mitte des Lotus.

Vers 49

Hemmnis der Sinne

Ein Hemmnis, das sich Deinen Sinnen entgegenstellt, führt in die Leere, die das Selbst befreit.

Oder: “Wie eine Henne ihre Küken bemuttert, so bemuttere du besonderes Wissen, besonderes Tun in der Wirklichkeit.“ [Paul Reps]

Vers 89

Ich und dieses

Jedes Lebewesen nimmt Subjekt und Objekt getrennt wahr, Du aber verweile in ihrer Einheit.

Vers 106

Innere Ruhe

Alle Eindrücke von Freude oder Schmerz kommen durch die Sinne. Deshalb befreie Dich davon, und ruhe in Dir.

Vers 136

Klarheit

Im Sommer, wenn sich der ganze Himmel endlos klar über Dir wölbt − dann geh hinein in solche Klarheit.

Vers 76

Klangbad

Bade im Zentrum eines Klangs, etwa im ununterbrochenen Klang eines Wasserfalls. Oder, halte Deine Ohren mit den Fingern zu, höre den Klang der Klänge.

Vers 38

Offenbarung

An der Schwelle zum Schlaf, wenn der Schlaf noch nicht gekommen ist, die Tageswachheit aber schon schwindet, dort wird das Sein offenbart.

Vers 75

Schwingungen

Wie Wellen gemeinsam mit Wasser und Flammen mit Feuer daherkommen, so wogt das Universelle mit uns.

Vers 110

Mahatattva

Stelle Dir die fünf farbigen Kreise auf dem Rade des Pfaus als die fünf Leeren im unendlichen Raum vor: verschmelze mit der Leere und betrete die Mitte.

Gleichermaßen, stelle Dir die Leere oder einen Gegenstand darin vor: löse Dich in der Schönheit Deines Herzens auf.

Verse 32-33

Jenseits aller Wahrnehmung

Nimm an, Du versenkst Dich in etwas jenseits aller Wahrnehmung, jenseits allen Begreifens, jenseits des Nichtseins − Dich.

Vers 127

Verschmelzung

Betrachte das gesamte Universum, als ob es sich in immer subtilere Formen auflösen würde. Entdecke, wie all dies letztlich in Deinem Sein zusammenströmt.

Vers 56

Wiedersehen

Wenn Du voller Freude einen lang abwesenden Freund wiedersiehst, dann gehe ganz in dieser Freude auf.

Vers 71

Segnung

Blicke regungslos auf irgendeinen Gegenstand. Schweife nicht zu einem anderen Gegenstand ab. Hier, mitten im Gegenstand − die Segnung.

Vers 62

Das Wesen des “Göttlichen Bewusstseins”

Shakti hebt an:

Wenn dies nun das Wesen des “Göttlichen Bewusstseins” ist −

Wer ruft dann an und über wen wird meditiert?
Wer verehrt und wen huldigt die Verehrung?

Wie vollziehen sich die Opferrituale und was wird dargebracht?

Verse 142-143

Wiegende Bewegung

Wiege Dich rhythmisch, während Du in einem Fahrzeug fährst − und erfahre! Oder in einem stillstehenden Gefährt, indem Du Dich kreisen lässt, in langsamer werdenden, unsichtbaren Kreisen.

Vers 83

Abwesenheit von Gedanken

Lenke Göttliches Bewusstsein in solch unbeschreiblicher Feinheit nach oben, nach unten und mitten in Dein Herz.

Wenn Du dort frei von Gedanken in Deinem Körper verweilst − dann…

Verse 45-46

Leeres Universum

Betrachte das Universum als völlig leer, als die Leere Deines eigenen Körpers der Glückseligkeit.

Vers 58

Vor Wünschen und Denken

Bevor Wünsche und Denken entstehen, wie kann ich da sagen: “Ich bin”? Betrachte dies. Löse Dich in der Schönheit auf.

Vers 97

Wände aus Haut

Nimm an, Dein Körper sei ein leerer Raum mit Wänden aus Haut − rein und grenzenlos.

Vers 48

Harmonie

Stimme hörbar einen Ton an, dann weniger und weniger hörbar, während sich Dein Gefühl immer mehr in diese stille Harmonie hineinvertieft.

Vers 42

Stimmungen

Wenn in Dir eine Stimmung gegen oder für jemanden aufsteigt, dann projiziere sie nicht auf die betreffende Person, sondern bleibe zentriert.

Vers 126

Kontraktion

Halte Dir die Ohren zu und kontrahiere das Rektum. Tritt in den inneren Klang ein.

Vers 114

Zwischenraum

Versenke Dich im Zwischenraum zweier Gegenstände. Und welchen von beiden Du auch wählst − lass ihn beiseite.

Oder: “Zartherzige, meditiere über das Wissen und Nicht-Wissen, über das Sein und Nicht-Sein. Dann lass beides hinter dir, damit du sein mögest.” [Paul Reps]

Vers 61

Atempause

Diese Erfahrung mag Dir zwischen zwei Atemzügen dämmern.
Nachdem der Atem herab gestiegen ist, und kurz bevor er wieder nach oben steigt − in dieser Pause, die Wohltat.

Vers 24

In der Herzmitte

Mit kaum spürbarem Atem in der Mitte der Stirn: Sobald er das Herz erreicht, im Augenblick des Schlafes, hast Du Gewalt über die Träume und selbst über den Tod.

Oder: Stärke die schwachen Sinneswahrnehmungen und verfeinere die groben Handlungsarten: Erreiche so die Herzmitte und werde befreit.

Vers 55

Entgrenzung

Nichts denken wird das begrenzte Selbst entgrenzen.

Vers 108

Himmelsblau

Einfach, indem Du in den blauen Himmel schaust, jenseits der Wolken − die Heiterkeit.

Vers 84

Hingabe befreit

Alles, dem Du Dich vollständig hingibst, wird Dich zur Freiheit führen.

Vers 121

Ohne Unterstützung

Ohne Unterstützung für Hände oder Füße sitze nur auf dem Gesäß. Plötzlich − die Mitte.

Vers 78

Scharfer Stich

Steche mit einer scharfen Nadel in irgendeinen Teil Deiner körperlichen Form, geh dann vorsichtig in dieses Stechen hinein, und erreiche innere Reinheit.

Vers 93

Schöpfung

Wenn sich der Atem von innen nach außen kehrt, und dann wiederum, wenn er sich von außen nach innen kehrt − durch diese Wandlung, erkenne!

Vers 25

Weder Freude noch Leid

Richte Deine Aufmerksamkeit weder auf Freude noch auf Leid, sondern genau dazwischen.

Vers 103

Unberührter Raum

Bleib an einem Ort endloser Weite, frei von Bäumen, Bergen, Bewohnern. Und so nimmt das Bedrängnis des Denkens ein Ende.

Vers 60

Mudra

In intuitivem Gewahrsein der Wirklichkeit mache Deine Übung. Dann werde eins mit der Übung und erkenne.

Vers 77

Tattvas

Fühle, wie die feinen Kräfte der Schöpfung Deinen Körper und das All durchweben − und dann absorbiert werden in sich selbst.

Vers 54

Innenschau

Schau Dir bei geschlossenen Augen Dein inneres Wesen bis ins einzelne an. Erblicke so Dein wahres Wesen.

Vers 34

Subtilität

Meditiere über die zwölf Energiezentren und die zwölf damit verbundenen Keimsilben. Dringe vom Groben zum Feinen und vom Feinen zum Feinsten vor, bis Du frei bist.

Vers 30

Verlangen oder Wissen

Sobald sich ein Verlangen oder Wissen zeigt, vergiss den Gegenstand des Verlangens oder Wissens, und erkenne!

Vers 98

Ohne Verhaftung

Wirf die Bindung an den Körper weg, und erkenne: “Ich bin überall”. Wer überall ist, ist voller Freude.

Vers 104

Erschaudern

Schließe die Türen Deiner Sinne, indem Du die Energie langsam nach unten ziehst. Wenn Du das Erinnern der Seele spürst − dann.

Vers 67

Vereinigung

Richte alle Aufmerksamkeit genau zwischen Kontraktion und Expansion, dann vereinigst Du Dich in der Vereinigung.

Oder: Verfolge die Schlange in der Mitte des Feuers und erinnere Dich an die Vereinigung in Glückseligkeit.

Vers 68

Musik

Während Du Saiteninstrumenten lauschst, höre ihren zusammengesetzten zentralen Klang; und so: Allgegenwart.

Vers 41

Über die Sinne

Wann immer irgendeiner Deiner Sinne Dir einen lebhaft bewussten Eindruck verschafft, verweile in dieser Bewusstheit.

Vers 117

Achselhöhlen

Lass in bequemer Lage in einem Bereich zwischen den Achselhöhlen tiefen Frieden einziehen.

Vers 79

Weg der Mitte

Wenn Dein ganzer Körper von Bewusstsein durchdrungen ist, und ohne auf das Denken zu achten, bleib in der Mitte − bis…

Vers 50

Räumlichkeit

Betrachte das ganze All so, als wäre es schon in Deinem eigenen Kopf absorbiert, mit all seinem Glanze.

Vers 85

Plötzliche Freude

Während einer Überraschung geh in der plötzlichen Freude auf wie im immerwährenden Leben.

Oder: Wahrlich durch die Anbetung des Göttlichen erfährst Du Freude, und wirst zu Ihm selbst.

Vers 66

Erschöpfung

Irre umher bis zur Erschöpfung, und dann, während Du Dich zu Boden fallen lässt, sei in diesem Fallen ganz.

Vers 111

Räumliche Unbegrenztheit

Betrachte jeden beliebigen Bestandteil Deiner gegenwärtigen Form als räumlich unbegrenzt.

Vers 47

Kundalini

In den Räumen zwischen den Energiezentren, vom untersten zum obersten stufenweise, erfahre die Energie als Aufleuchten.

Vers 29

Nach innen oder außen

Wohin Deine Gedanken auch wandern mögen, nach innen oder nach außen, an diesem Ort, dies.

Vers 116

Verfeinerung

Zu Beginn und in der allmählichen Verfeinerung des Klangs von irgendeinem Laut − erwache!

Vers 40

Aufstieg des Lichts

Betrachte Deine Essenz als Lichtstrahlen, die sich getragen durch den Atem von Energiezentrum zu Energiezentrum die Wirbelsäule aufwärts ausbreiten, und so steigt Lebendigkeit in Dir auf.

Vers 28

Maya

Hier befinden wir uns im Reich des Wandels, Wandels, Wandels. Zehre den Wandel durch den Wandel auf.

Das Selbst jedoch ist unwandelbar.

Verse 133-134

Om Namo

Geh auf im Klang Seines Namens und, durch diesen Klang, in alle Klänge.

Vers 130

Vergangenes Ereignis

Lenke die Aufmerksamkeit dorthin, wo Du irgendein vergangenes Ereignis siehst. Dabei verliert sogar Deine Form ihre gegenwärtigen Eigenschaften und wird verwandelt.

Vers 119

Allgegenwart

Glaube, dass Du allwissend, allmächtig, allumfassend bist.

Vers 109

Der Atem ist kreisförmig

Der Atem ist kreisförmig − beim Eintritt Bewusstsein, beim Austritt Energie. Die Kundalini in ihren Windungen steigt vom Manifesten zu ihrem letzten Pilgerort, dem Unmanifesten.

Wer dies versteht und die Glückseligkeit des ‘Zwei’ und doch ‘Eins’ vollzieht, vereint sich im Bewusstsein Shivas.

Der Atem tritt mit dem Klang HAM ein und mit dem Klang SA aus. So wiederholt sich das Mantra HAM SA.

21600 mal während Tag und Nacht wiederholst Du dieses Mantra der Göttlichkeit. Es ist leicht und doch verborgen.

Verse 154-155

Zwischen den Augenbrauen

Die Aufmerksamkeit zwischen den Augenbrauen: Lass das Denken vor Dein drittes Auge treten. Lass Deine Form sich füllen mit Atemessenz bis zum Scheitel des Kopfes − und von dort niederregnen als Licht.

Vers 31

Gegenstandsgefühl

Fühle vor Dir einen Gegenstand. Fühle die Abwesenheit aller anderen Gegenstände außer diesem. Dann lass das Gegenstandsgefühl und das Abwesenheitsgefühl beiseite − und erkenne.

Vers 122

Meditation im Herzen

Meditierst Du im Raum zwischen beiden Augen, so öffnet sich die Leichtigkeit zwischen ihnen bis ins Herz hinein und dringt von dort in den Kosmos.

Oder: “Wenn man die Augäpfel wie eine Feder berührt, so öffnet sich das Licht zwischen ihnen dem Herzen und ergießt sich von dort in den Kosmos.” [Paul Reps]

Vers 37

Bewusstseinszustände

Ob Du wachst, schläfst oder träumst − wisse, dass Du Licht bist.

Vers 86

Offenbarung

Jedes Ding wird durch Erkennen wahrgenommen. Durch Erkennen erstrahlt das Selbst im Raum. Nimm ein einziges Sein wahr − als Erkennender und Erkanntes.

Vers 137

Verlust

Nimm an, du würdest allmählich Deine Kraft zu wissen oder wahrzunehmen verlieren. Im Moment des Verlustes − transzendiere!

Vers 112

Haltlos

Deinen Blick gerichtet ohne Lidschlag, verliert Dein Denken jeden Halt − so Du.

Vers 80

Dunkelheit

Fällt Regen in schwarzer Nacht, dann geh in diese Schwärze als Form der Formen hinein.

Vers 88

Krugförmige Hülle

Schau auf einen Krug, ohne die Ränder oder das Material zu sehen. In wenigen Augenblicken − werde bewusst.

Vers 59

Ausschluss

Schließe noch in diesem Augenblick Denken, Erkennen, Atem und Ego aus.

Vers 138

Kosmische Essenz

Empfinde, wie Deine Substanz − Knochen, Fleisch, Blut − von kosmischer Essenz gesättigt ist.

Vers 65

Das Höchste Selbst

Shiva antwortet:

Nur ein Geist, erwacht aus allen Bindungen und Konditionierungen kann es erfahren: Das Göttliche wird als die Glückseligkeit im eigenen Bewusstsein erkannt.

Dessen Natur ist makellos und alles erfüllend − die höchste Realität, sowohl Objekt und Subjekt der Verehrung.

Dieser transzendente Zustand ist bekannt als das Höchste Selbst.

So wie Energie nicht unterschieden wird vom Energiegeladenen, ist Bewusstsein nicht verschieden vom Bewusstseinbeseelten.

Und so ist das Höchste Selbst nicht getrennt von Shiva. Doch mag es als getrennt erscheinen, bevor man die Weisheit erlangt.

Wer die Weisheit erlangt, das Höchste Selbst erinnert, weiß um seine Einheit mit Shiva. Deshalb gilt die Energie als das Tor zum Bewusstsein − das Tor zu Shiva.

Genauso, wie uns die Strahlen der Sonne, den Raum erleuchten, erleuchtet uns die Vielfalt der Energien das Bewusstsein.

Verse 7-21

Wie können wir vollends hingelangen?

Shakti entgegnet:

Wie können wir vollends hingelangen?
Erhaben über Raum und Zeit, über Formen und Namen?

Wie erlangen wir die Glückseligkeit im eigenen Bewusstsein?
Wie passieren wir das Tor dorthin?

Verse 22-23

Was ist Deine Realität?

Shakti fragt:

Wohnst Du der Form inne oder übersteigst Du jede Form? Wie kann es Transzendenz geben, wenn Du der Form immanent bist?

Denn wie vereinbart sich das mit der Vielheit von Form und Name. Wie kann die Einheit in Teile zerfallen?

Möge Deine Gnade meine Zweifel zerstören!

Verse 1-6

Zufriedenheit

Wo immer Du Befriedigung findest, gleichgültig in welcher Handlung, verwirkliche sie.

Vers 74

Nichtsein

Kontempliere über das Nichtsein Deines Körpers, Deiner Gedanken, Deines Egos. Was bleibt?

Vers 94

Quintessenz

Die Quintessenz des ganzen Universums ist alleins, worin Dein Geist grenzenlos herumtollt.

Vers 57

Die Wahrheit um die Unsterblichkeit

Die Wahrheit um die Unsterblichkeit, diese höchste Lehre, sollte nicht jedem offenbart werden.

Es ist nur der geeignet die Lehre zu verstehen, wer sich dem Höchsten opfert, wessen Geist selbstbeherrscht und vorstellungsfrei ist.

Wer ohne Zweifel und Zögern ist, wer das Zeitweilige aufgibt und das Immerwährende erkennt, der ist darin initiiert.

Was vergänglich ist, mag vergehen, doch diese Lehre bringt den Nektar der Unsterblichkeit und vergeht nie.

Verse 156-160

Entspannung

Wenn weder der einströmende Atem noch der ausströmende Atem fließt, in diesem Augenblick berühre das energielose, energieerfüllte Zentrum.

Vers 26

Schwerelos

Liegend auf einem Bett oder sitzend auf einem Kissen, lass Dich schwerelos werden, jenseits des Denkens.

Vers 82

Trickvorführung

Dieses sogenannte Universum wirkt wie eine Trickvorführung, eine Bilderschau. Um glücklich zu sein, betrachte es als solche.

Vers 102

Hingabe an Atem

Mit äußerster Hingabe zentriere Dich auf die beiden Verknüpfungspunkte des Atems und erkenne den Erkennenden.

Vers 64

Ätherische Präsenz

Geh in die ätherische Präsenz hinein, die Deine Form nach oben wie nach unten durchdringt.

Vers 44

Innewerden

Innewerdend, wie Du Dich nach allen Seiten hin ausweitest − haltlos.

Vers 92

Weltenklang

Intoniere langsam einen Klang wie AUM. Wie der Klang in der Klangfülle aufgeht, so auch Du.

Vers 39

Formen

In Wahrheit sind Formen nicht zu trennen. Nicht zu trennen sind das allgegenwärtige Sein und Deine eigene Form. Erkenne, wie alles aus diesem Bewusstsein gemacht ist.

Vers 100

Fortdauer

Richte Deine Aufmerksamkeit auf Feuer, wie es durch Deine Gestalt aufsteigt, von den Zehen aufwärts, bis der Körper zu Asche verbrennt − nur Du nicht.

Vers 52

Umarmung

Wenn Deine Sinne in solcher Umarmung geschüttelt werden wie Laub im Wind, dann geh in dieses Schütteln hinein.

Vers 69

Geschmack

Wenn Du isst oder trinkst, werde zum Geschmack des Essens oder Trinkens, und sei erfüllt.

Vers 72

Extreme Gefühle

Mitten in der Erfahrung extremer Gefühle, in Angst oder Schrecken, in Betäubung oder auf der Flucht: Bleibe unverwandt bewusst.

Vers 118

Wiedererleben

Schon die Erinnerung an die Vereinigung, ohne die Umarmung, bringt Transformation.

Vers 70

Bewusstseinsfülle

Dieses Bewusstsein ist der Geist, der alle Teile Deines Körpers und die des gesamten Kosmos durchdringt. Sei dieses eine.

Vers 63

Befreiung

Da in Wahrheit Abhängigkeit und Freiheit zusammenhängen, gelten diese Worte nur für diejenigen, denen das Universum Furcht und Schrecken einflößt.

Dieses Universum ist eine Spiegelung von Vorstellungen. Wie Du im Wasser viele Sonnen als Spiegelung der einen Sonne siehst, ebenso sieh Abhängigkeit und Freiheit.

Vers 135

Wunsch

Wenn ein Wunsch erwacht, betrachte ihn kaum. Dann gib ihn plötzlich auf.

Vers 96

Versenkung

Versenke das Denken im Endklang eines tonlosen Lauts und entziehe dem Denken jeden Grund.

Vers 91

Unwissend

Was anderen Lehren als rein gilt, ist für uns unrein. Unterscheide in Wirklichkeit nicht zwischen rein und unrein.

Vers 123

Illusionen

Illusionen täuschen, Namen und Formen trennen; doch selbst die Vielfalt ist ungeteilt von der Einheit.

Vers 95

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Einführung

Göttliches Bewusstsein

Der Vijnana Bhairava Tantra gehört zu den ältesten und angesehensten Texten des kaschmirischen Shivaismus. Dieses Buch vom Göttliches Bewusstsein gilt als Unterweisung von Bhairava (Shiva) gegenüber seiner göttlichen Gemahlin Bhairavi (Shakti). Das Werk offenbart 112 Methoden zur Erlangung der “mystischen Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeit” − dem Erwachen im gegenwärtigen Bewusstsein.

Bei der kaschmirischen Form des Shivaismus handelt es sich um eine monistische und non-duale Denkweise. Einziges Objekt und einziges Subjekt ist Shiva, das Un-Unterschiedene Eine, das in allem wirkt. Shiva ist das höchste Selbst, untrennbar als Bewusstsein geeint mit seiner Energie − Shakti. Die Energie, die seit Einstein als andere Modalität der Masse angesehen werden kann, bildet unseren Kosmos. Dieser Kosmos ist beseelt und durchwirkt von Bewusstsein, das im Sinne der Non-Dualität nichts anderes ist als Shiva − Einheit.

Die Hauptaussage dieser Denkweise zielt auf vollständige Gotteserkenntnis durch jedwedes Erleben der Welt ab. Darin ist sie anderen mystischen Denkweisen ähnlich. Kern der Lehre ist, dass alles untereinander verwoben ist, und diesem Gewebe oder Netz Gott immanent ist.

Die Wahrheit hinter der Realität

Das Buch vom Göttliches Bewusstsein stellt 112 Kontemplationen vor, die als geeignet dargestellt werden, über das Erleben der Welt, Gotteserkenntnis zu erwerben.

Wir verschließen in unserem ‘normalen’ Bewusstseinszustand die Augen vor dieser Erkenntnis. Erwachen ist dann, dass unsere Augen für diese Sichtweise geöffnet werden und in allem das Eine erkannt wird. Eine Dualität, etwa zwischen ‘gut’ und ‘böse’ oder zwischen ‘ist bereits geschehen’ und ‘wird geschehen’, ist in diesem Zustand nicht mehr anwendbar.

Das Tor, durch dessen Passieren Erwachen geschieht, ist verborgen im “Hier und Jetzt”: Es kann nirgendwo anderes als hier und nirgendwann anders als jetzt geschehen. Als Werkzeug dient ein sensorisches, vom unterscheidenden Verstand ungefiltertes aufmerksames Erleben der Realität.

Die beiden Hauptakteure des Textes − Shiva und Shakti − führen einen Dialog. Sie ist die Fragende, er der Antwortende. Daneben steht sie auch für die Welt, den materiellen, energetischen Aspekt. Er hingegen steht für den Moment des Offenbar-Werdens des göttlichen Bewusstseins in dieser Welt. Dieser Moment wird in der kaschmirischen Denkweise durch Bilder wie die Mitte, die Lücke, das Nichts, die Pause, die Leere oder das Heben des Schleiers beschrieben.

Wege zu Gott

Im kaschmirischen Shivaismus werden diese 112 Methoden oder Übungen, zu Gott zu gelangen, klassifiziert. Es werden drei verschiedene Sichten oder Wege differenziert:

die “Einheitssicht” − Alles ist eins
die “Duale Sicht” − Bewusstsein und Energie sind eins
die “Individuelle Sicht” − Ich bin eins mit allem

In der Individuellen oder Dualen Sicht fokussiert sich die Achtsamkeit auf das sinnhafte Erleben bzw. die mentale Reflektion dessen.

In der Einheitssicht findet die Achtsamkeit kein Objekt mehr und ist ohne Stütze. In diesem Moment geschieht ‘Gnade’ und die Gotteserkenntnis bricht ins Bewusstsein ein − das Göttliche manifestiert sich.

Epilog

112 Wege zur Weisheit

Shiva fasst zusammen:

Ich gab Dir nun 112 Wege, die Flut der Gedanken zu dämmen und den Geist zu beruhigen. Das Wissen um diese Wege bringt Weisheit.

Wenn Du auch nur einen dieser Wege beschreitest, gelangst Du zur Einheit mit mir. Und Deine Worte werden Wahrheit, sie bringen Fluch oder Segen.

Durch die Kraft dieser Übungen wirst Du frei von Geburt und Tod. Du wirst geliebt von allen und Herr Deiner Taten.

Du bist befreit selbst im Tun des täglichen Lebens.

Seligkeit der Befreiung

Shiva fährt fort:

Die wahre Verehrung ist, den Geist in der großen Leere zu verankern. Das ist Huldigung des befreiten Bewusstseins.

Den Geist während einer der 112 Übungen in Ruhe zu festigen, mit dem täglichen Fortschritt, wird Erfüllung erlangt.

Die letzte Erfüllung und Glückseligkeit, die ewige Heimstatt, folgt der Opferung des Egos.

Die Seligkeit der Befreiung lässt das eigene Selbst − die Essenz des allumfassenden Bewusstseins − erkennen. Das ist wahre Läuterung.

Energie und Bewusstsein − Immanenz und Transzendenz − sind eins. Wo ist Objekt, wo ist Subjekt?

Vereinigung

Shakti entgegnet:

Du hast alle meine Zweifel beseitigt.

Dies sagend vereinte sie sich wieder mit ihrem Gemahl im ewig Un-Unterschiedenen.

Prolog

Was ist Deine Realität?

Shakti fragt:

Wohnst Du der Form inne oder übersteigst Du jede Form? Wie kann es Transzendenz geben, wenn Du der Form immanent bist?

Denn wie vereinbart sich das mit der Vielheit von Form und Name. Wie kann die Einheit in Teile zerfallen?

Möge Deine Gnade meine Zweifel zerstören!

Das Höchste Selbst

Shiva antwortet:

Nur ein Geist, erwacht aus allen Bindungen und Konditionierungen kann es erfahren: Das Göttliche wird als die Glückseligkeit im eigenen Bewusstsein erkannt.

Dessen Natur ist makellos und alles erfüllend − die höchste Realität, sowohl Objekt und Subjekt der Verehrung.

Dieser transzendente Zustand ist bekannt als das Höchste Selbst.

So wie Energie nicht unterschieden wird vom Energiegeladenen, ist Bewusstsein nicht verschieden vom Bewusstseinbeseelten.

Und so ist das Höchste Selbst nicht getrennt von Shiva. Doch mag es als getrennt erscheinen, bevor man die Weisheit erlangt.

Wer die Weisheit erlangt, das Höchste Selbst erinnert, weiß um seine Einheit mit Shiva. Deshalb gilt die Energie als das Tor zum Bewusstsein − das Tor zu Shiva.

Genauso, wie uns die Strahlen der Sonne, den Raum erleuchten, erleuchtet uns die Vielfalt der Energien das Bewusstsein.

Wie können wir vollends hingelangen?

Shakti entgegnet:

Wie können wir vollends hingelangen?
Erhaben über Raum und Zeit, über Formen und Namen?

Wie erlangen wir die Glückseligkeit im eigenen Bewusstsein?
Wie passieren wir das Tor dorthin?

Zusammenfassung

Das Wesen des “Göttlichen Bewusstseins”

Shakti hebt an:

Wenn dies nun das Wesen des “Göttlichen Bewusstseins” ist −

Wer ruft dann an und über wen wird meditiert?
Wer verehrt und wen huldigt die Verehrung?

Wie vollziehen sich die Opferrituale und was wird dargebracht?

Der Atem ist kreisförmig

Der Atem ist kreisförmig − beim Eintritt Bewusstsein, beim Austritt Energie. Die Kundalini in ihren Windungen steigt vom Manifesten zu ihrem letzten Pilgerort, dem Unmanifesten.

Wer dies versteht und die Glückseligkeit des ‘Zwei’ und doch ‘Eins’ vollzieht, vereint sich im Bewusstsein Shivas.

Der Atem tritt mit dem Klang HAM ein und mit dem Klang SA aus. So wiederholt sich das Mantra HAM SA.

21600 mal während Tag und Nacht wiederholst Du dieses Mantra der Göttlichkeit. Es ist leicht und doch verborgen.

Die Wahrheit um die Unsterblichkeit

Die Wahrheit um die Unsterblichkeit, diese höchste Lehre, sollte nicht jedem offenbart werden.

Es ist nur der geeignet die Lehre zu verstehen, wer sich dem Höchsten opfert, wessen Geist selbstbeherrscht und vorstellungsfrei ist.

Wer ohne Zweifel und Zögern ist, wer das Zeitweilige aufgibt und das Immerwährende erkennt, der ist darin initiiert.

Was vergänglich ist, mag vergehen, doch diese Lehre bringt den Nektar der Unsterblichkeit und vergeht nie.